Nachdem ich aus der Jemenmission in die Schweiz zurückgekehrt war, bot mir das Rote Kreuz eine Stelle am Hauptkrankenhaus in Leopoldville, dem späteren Kinshasa, an. Ich wollte zusagen, doch mein Vater intervenierte und verlangte, dass ich mich zum Facharzt ausbilde, anstatt ‚Wilde zu verarzten‘. Im gleichen Sinne äusserten sich mein Onkel und dessen Sohn, beides Ärzte. Sie überredeten meinen Vater, mich für die weitere Ausbildung nach Amerika zu schicken. Auch unser Nachbar, ein Hautarzt, mischte sich ein; er überredete meine Eltern, mich etwas ‚Gescheiteres‘ machen zu lassen, als meine Zeit im ‚Urwald zu verplempern‘.
Damals liess ich mich überzeugen. In den Jahren, die jetzt folgten, bildete ich mich zum Chirurgen aus. Ich bekam eine Stelle als Rotating Intern am Buffalo General Hospital in Buffalo, New York, USA. In Amerika wollte ich meine chirurgische Ausbildung machen, man bot mir eine Stelle als Surgical Resident am Mount Sinai Hospital in New York an.
Doch dann heiratete ich ein griechisches Mädchen, das ich bei meiner ersten Griechenlandreise kennengelernt hatte. Damals ein Kind, war sie jetzt neunzehnjährig geworden. Sie behauptete, nur mich heiraten zu wollen, andernfalls gehe sie ins Kloster. Aus dieser Ehe stammen zwei Kinder. Doch die anfänglich glückliche Verbindung wandelte sich in eine Katastrophe, die sich auch auf meine Ausbildung auswirkte.
Da ich nicht jede zweite Nacht meine junge Frau alleine in einer New Yorker Wohnung lassen wollte, verzichtete ich auf die Stelle am Mount Sinai Hospital. Wir blieben währemd anderthalb Jahren in Buffalo, wo ich weniger Nachtdienst hatte, und kehrten dann in die Schweiz zurück.
Am Universitätsspital Basel war ich Assistent in der Chirurgie. Prof. Martin Allgöwer war der Chefarzt, unter ihm war die Ausbildung ausgezeichnet. Mit drei leitenden Ärzte hatte ich Mühe. Ich passte nämlich nicht gut in das allgemeine Streberklima, das an der Basler Klinik herrschte. Gleicwohl schloss ich in Basel meine Ausbildung zum Chirurgen ab. Im März 1971 erhielt ich den Facharzt FMH für Chirurgie.
Anschliessend arbeitete ich noch zwei Jahre als stellvertretender Oberarzt im Basler Universitätsspital. Im Dezember 1972 wurde gerichtlich die Trennung zwischen mir und meiner Frau verfügt und der Scheidungsprozess eingeleitet. Ich zog von Basel an den Zürichsee. Ab 1. April 1973 war ich Oberarzt an der Chirurgischen Klinik des Kreisspitals Männedorf unter Professor Peter Ricklin. Es war für mich eine gute Zeit. Ich habe mich chirurgisch weiter ausgebildet und viel operiert, auch in chirurgischen Subspezialitäten, die für meine spätere Tätigkeit wichtig waren. Rückblickend war es für mich richtig, die Universitätsklinik Basel zu verlassen. Ich hatte kein Interesse, in der Schweiz eine Universitätskarriere einzuschlagen!
Während ich am Kreisspital Männedorf arbeitete, wurde meine Scheidung vor den Gerichten der Basler Landschaft vorangetrieben. Ich kämpfte um die beiden Kinder, die von der Mutter schwer vernachlässigt wurden. Ich verlangte, dass man mir die Kinder zuspreche. Doch die Schweizer Gerichte entschieden anders. Obwohl die Kinder damals kein griechisch sprachen, schickten sie die Mutter mit den Kindern nach Athen. Am Abend des 2. Juli 1975 verliessen Mutter und Kinder die Schweiz. Mit dem Zug fuhren sie über Jugoslawien nach Athen, wo sie ihren Wohnsitz nahmen.
1976 überlegte ich mir, wo ich in eigner Verantwortung als chirurgischer Chefarzt arbeiten wolle. Ich war gut ausgebildet. Meine Familie war gescheitert, die Kinder ins Ausland gezogen. Gezwungenermassen war ich jetzt frei! Endlich war es mir möglich, meine insgeheimen Wünsche zu verwirklichen! Ich hatte Gelegenheit. „Urwaldarzt“ zu werden!
Ich meldete mich bei Medicus Mundi Schweiz. Dessen Präsident, Edgar Widmer, lud mich zu einem Gespräch ein, er sagte etwas Entscheidendes: „Betrachten Sie es nicht als ein Opfer, Herr Kollege, wenn Sie sich entschliessen, in der Dritten Welt als Arzt zu arbeiten. Betrachten Sie es vielmehr als eine Art Gnade, weil Sie geistig und sozial fähig sind, eine solche Arbeit zu übernehmen!“ Seine Aussage hat sich mir in den kommenden Jahren bestätigt.
Rückblickend war der Entscheid, den ich 1976 getroffen hatte, richtig. In den folgenden zwanzig Jahren war es mit vergönnt, den Arztberuf im eigentlichen Sinne, wie ich es mir immer vorgestellt hatte, auszuüben, das heisst, für jeden Kranken, der Hilfe suchte, uneingeschränkt die Verantwortung zu übernehmen und gleichzeitig als Projektleiter und Chefarzt zu wirken!